Halbzeit

Immer wieder wird behauptet, es gäbe ihn gar nicht, DEN Deutschen, DEN Amerikaner oder gar DEN Holländer. Der Standpunkt mag ja politisch außerordentlich korrekt sein, aber dennoch ist er vollkommen falsch. Natürlich gibt es ihn, diesen typischen Vertreter einer jeden Nation. Sicher, seitdem Schuhe von Birkenstock in allen Länder dieser Erde verkauft werden, ist es nicht mehr ganz so einfach den Deutschen im Ausland zu erkennen. Aber auch wenn die Zeichen heute etwas subtiler geworden sind, eindeutig sind sie immer noch. Nach wie vor gilt: wer außerhalb seiner eigenen Wohnung Sandalen mit Socken trägt, der spricht auch Deutsch.
Viel spannender ist es allerdings die Nationalität eines Menschen zu bestimmen, wenn solche offensichtlichen Merkmale fehlen und einzig das Verhalten der Menschen eine Unterscheidung möglich macht. Doch wer sich ein wenig Mühe gibt, muss auch daran nicht scheitern. Zur Halbzeit unserer Reise lässt sich das leicht an den Ländern festmachen, die wir bisher besucht haben. So sind DIE Australier allesamt entspannt, freundlich und hilfsbereit; dagegen habe ich DIE Bewohner von Fiji als freundlich, hilfsbereit und entspannt erlebt. In Kanada trafen wir auf stets hilfsbereite Menschen-dabei entspannt und freundlich – und die Freundlichkeit DER US-Amerikaner ist ja bereits sprichwörtlich; entspannt und hilfsbereit waren sie obendrein.
Irgendwie lässt mich das Gefühl nicht los, dass meine Typisierung von Nationen auf unseren nächsten Reisestationen zu ähnlichen Ergebnissen führen wird. Auch die Neuseeländer, Inder und Nepali werden sich durch die gleichen Attribute auszeichnen. Meine Klassifizierung ist also ebenso einfach wie nutzlos. Doch woran scheitert es nun, mein bewährtes Modell?
Vielleicht findet sich die Ursache in der Geschichte, immerhin waren alle diese Länder – in der einen oder anderen Form – einmal Teil des britischen Königshauses. Aber so gerne ich auch anglophil denken möchte: es ergibt keinen Sinn. Würde Tee mit Milch oder Gurkenbrote mit abgeschnittener Rinde solche Eigenschaften hervorbringen, dann müsste sich bereits die ganze Welt davon ernähren.
Was sonst aber ist all diesen Nationen gemeinsam? Die einzige Übereinstimmung die bleibt, bin ich selbst, der Betrachter. Natürlich wird meine Anwesenheit kaum etwas bewirken, was selbst dem britischen Empire nicht gelungen ist. Aber vielleicht ist es ja wahr, das Sprichwort vom Wald aus dem das herauskommt, was man hineinruft. Auch wenn es im wörtlichen Sinn nicht stimmt – ich habe in etliche Urwälder geschrien und dabei höchstens Rehe aufgeweckt – dann doch im übertragenen.
Nach meiner Rückkehr werde ich es ausprobieren, dann müssten auch DIE Deutschen alle hilfsbereit und freundlich sein, zumindest solange ich selbst es schaffe entspannt zu bleiben. Bis dahin werde ich sie an den Sandalen mit Socken erkennen.

5 Gedanken zu „Halbzeit

  1. Wundervoll, wahrscheinlich das Schönste und Lustigste und Bestformulierte, das ich am heutigen Tag zu Lesen bekomme – vielen Dank, ich krieg das Grinsen überhaupt nicht mehr weg! Ich freu mich immer auf Deine „kleinen Geschichten“! Alles Gute, Sylke

  2. Hallo, JUlia und Ingmar!° ——–es tat gut, wieder einmal etwas von Euch zu hören. Habt vielen Dank! Nun wünsche ich -Euch eine schöne Adventszeit und alles Gute und liebe Grüße Mutter

  3. Hallo Ingmar, in der 2.Halbzeit ist Neuseeland dran!
    Ich bin gelandet. Habe mein Rad wieder fahrfertig gemacht und werde morgen nochmal Auckland geniessen. Dann breche ich wieder auf. Bis ca. 22.1. werde ich erstmal auf der Nordinsel sein. Dann ist die Südinsel dran und am Ende schaue ich, was noch übrig ist, bevor ich am 22.3. nach Deutschland zurück fliege.
    Wie sieht’s mit ’nem Treffen aus? Interesse? Könnte mit den o.g. Eckdaten was möglich sein?
    Ich habe 4 1/2 Monate und 7500 bike-km Tour hinter mir. ‚Ne Idee davon gibt’s unter: steffensabbattour.wordpress.com
    Sonnige Stadtgrüsse auf den Berg (?)
    Steffen
    PS: DER Bayer war überraschend nett. DER Österreicher sehr hilfsbereit. … DER Grieche relativ uninteressiert. DER Türke kaum zu übertreffen an Interesse und Tee-Ausgabe-Willigkeit. DER Neuseeländer scheint deutlich kontaktfreudiger als DER Australier.

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