Fünf Uhr morgens in Hobart, Tasmanien: Wir steigen in einen Kleinbus samt unverschämt gut gelauntem Fahrer. Unser Ziel ist der Overland-Trail im Zentrum der Insel. Es regnet so stark, dass der Scheibenwischer auch im schnellsten Gang nicht nachkommt, aber unser fröhlicher Fahrer beruhigt uns: „Wir fahren nach Norden, da wird es weniger regnen“. Und Recht hat er mit seiner Prognose, im Nationalpark ist es viel zu kalt für Regen, stattdessen fällt hier Schnee in dicken Flocken.
Der Schnee ist dann auch das zentrale Thema der Sicherheitsbelehrung durch die Parkranger, immerhin befänden wir uns mitten im stärksten Schneesturm des gesamten Winters. Kurz überlege ich einzuwerfen, dass der Winter doch seit mehr als zwei Monaten vorüber sei. Doch dann fällt mir der Werbeslogan ein, der überall auf den Prospekten prangt: „Tasmanien, erlebe vier Jahreszeiten an einem Tag“. Spontan beschließe ich zu schweigen.
In ernsten Worten erklärt uns der Parkwächter, dass wir auf dem Weg nach oben noch sehr viel mehr Schnee zu erwarten hätten und mit brusttiefen Schneeverwehungen rechnen müssten. Eine junge Australierin mit einem gigantischen Rucksack fragt dazwischen, was denn überhaupt eine Schneeverwehung sei?
Wahrscheinlich hätte auch sie besser spontan geschwiegen, aber Schnee besitzt in Australien durchaus Seltenheitswert. Auch mir fällt es schwer an brusthohe Schneewehen zu glauben. „Brusttief: vielleicht wenn ich mich auf den Boden lege“, so denke ich still, ein Gedanke der sich noch rächen sollte.
Gut eingepackt in alle Winterkleidung die wir besitzen machen wir uns schließlich auf den Weg, vielleicht klart es ja noch auf und dann sind wir schon oben auf dem Berg. Der Mensch ist ein Meister des positiven Gedankens. Bevor es aber aufklart, treffen wir noch auf das Zentrum des Sturms, Schnee fällt mal in großen, weichen Flocken und dann in kleinen, harten Körnern, knietief liegt er derweil am Boden. Zum Glück ist der Weg mit Stäben markiert, eine dieser Stangen ist meistens noch zu erkennen.
Nach ein paar Stunden treffen wir auf die Australierin mit dem Riesenrucksack, der offensichtlich nicht nur groß, sondern auch schwer ist. Mit jedem Schritt sinkt sie tief in den weichen Schnee. Die Schneewehen durchquert sie auf allen Vieren, Ganzkörperantwort der Natur auf eine unschuldige Frage. Aber auch mein Zweifel an wirklich tiefen Schneewehen wird schnell beantwortet. Nein, brusttief werden sie nicht, dafür ist es zu stürmisch. Aber die Sturmböen sind stark genug mich umzublasen, so dass auch ich meine Ganzkörpererfahrung mit dem Schnee machen darf.
Mit Sicherheit wird es aufklaren aber genauso sicher nicht am heutigen Tag, also stapfen wir weiter durch den Schneesturm, im Wechsel zwischen den verschiedensten Schneesorten. Die Hütte kommt in Sicht als wir mit der Nase gegen das Toilettenhaus stoßen. Nach sehr kurzer Beratung fällt die Entscheidung: Wir übernachten nicht im Zelt sondern in der trockenen Hütte, alleine schon weil wir keinerlei Schaufeln besitzen um die Zeltplattform auszugraben.
Am Ende des Tages ermittelt der Hüttenwart die Anzahl derjenigen, welche die Hütte erreicht haben. Auch wenn sich die Zählung etwas schwierig gestaltet – einige der Anwesenden starren nur noch apathisch vor sich hin, zu erschöpft um ihren Namen zu nennen – kommt er doch zu einem erfreulichen Ergebnis: zwanzig von zweiundzwanzig angemeldeten Wanderern sind angekommen. Dafür dass die meisten heute zum ersten Mal durch Schnee gelaufen sind, eine herausragende Quote.
und wo waren die letzten 2 Wanderer? Vom Schnee verweht? Gruselig….