Reisefreiheit

Endlich habe ich etwas gefunden was mich nervt am Sabbatjahr. Es hat eine Weile gedauert und ich musste gut in die Ecken schauen, aber als waschechter Deutscher habe ich einfach nicht aufgegeben; habe weiter systematisch und gründlich gesucht. Solange bis ich es dann heute endlich etwas nerviges gefunden habe: die Visumsvorschriften.

In den USA kann ich nur 90 Tage bleiben und muss obendrein daran denken vorher einen ESTA-Antrag zu stellen, der inzwischen auch noch Geld kostet. Immerhin die „90 Tage“ Regel sollte kein Problem sein, denn ein kurzer Abstecher nach Kanada steht ja sowieso auf dem Programm. Die Idee hatten aber offensichtsichtlich schon andere, kurzerhand haben die Amerikaner die Übernahme von Kanada und Mexiko schon vollzogen, denn beide Länder zählen visumstechnisch nicht zum Ausland. Einmal mit der geopolitischen Flurbereinigung begonnen, haben sie dann auch gleich noch die karibischen Inseln mit eingemeindet. Das ist ja durchaus verständlich, aber eben nervig.

Mit Indien geht es mir auch nicht viel besser, das Visum wird zwar gerne erteilt, aber nur für sechs Monate und nach Einsenden des Reisepasses an die entsprechende Botschaft. Offensichtlich hat hier keiner an Weltreisende gedacht. Zumindest nicht an solche, die unsere Welt in östlicher Richtung umrunden wollen und dann entweder mit einem bereits abgelaufenen Visum an der indischen Grenze, oder ohne Reisepass in Australien stehen. Die Bürokratie nervt, was ich will ist einfach nur Reisefreiheit.

„Reisefreiheit“: Ein Wort der frühen Neunziger, als an allen schönen Orten dieser Erde gutgelaunte Menschen aus der DDR zu finden waren, die damals gerade zur ehemaligen DDR geworden war. Reisende der ersten Generation, die Augen so groß wie das Budget klein und die Ausrüstung über Jahrzehnte in der Hohen Tatra erprobt. Selbstversorger in jeder Reiselage, ob in der Einsamkeit der Berge oder neben dem Sternehotel. Überall gab es Köstlichkeiten aus Kartoffeln, Kohl und Knoblauch auf dem Karbitkocher und dazu rückhaltlose, vollständige Begeisterung. Deutsche im Ausland, die ich mit großer Freude getroffen habe, denn nie wieder habe ich diese großartige Mischung aus Fernweh und Heimatstolz erlebt: „Das Schöne ist ja nun die Reisefreiheit, wir haben ja sonst immer nur von der anderen Seite schauen dürfen“.

Mal von der anderen Seite zu schauen ist keine schlechte Idee. Ein Inder, der ein Visum für Deutschland haben möchte, benötigt ein Einladungsschreiben, den Nachweis einer Krankenversicherung sowie finanzieller Mittel, einen detaillierten Reiseplan mit Angabe der Übernachtungen und die letzten drei Gehaltsabrechnungen. Wenn er das alles, zusammen mit einem ordnungsgemäßen Antrag, eingereicht hat, muss er dann noch persönlich auf der deutschen Botschaft vorstellig werden. Ohne Visum kann ein Inder in genau 72 Länder dieser Erde reisen, wer wie ich das Glück hat einen deutschen Pass zu besitzen bringt es auf 172 Länder. Und Indien ist bei weitem noch nicht am unteren Ende der Länderliste.

Also gibt es am langen Ende doch keinen Grund genervt zu sein, und wenn ich es denn unbedingt sein will, dann einzig weil es noch immer der Geburtsort ist, der bestimmt wie viel Freiheit denn in der Reise drinsteckt.