Politische Korrektheit

Ich hasse sie, die „political correctness“, denn sie ist ein Wolf im Schafspelz. Was uns als korrekt verkauft wird ist eben nur politisch korrekt. Wie leider allzu oft die echten Politiker, will sie nichts ausdrücken, sondern nur nirgends anecken. Der Indianer wird zum „native American“, worunter nur der größte Idealist den „wahren“ Amerikaner versteht, die dramatische Mehrheit hingegen eine Randgruppe. Dem Kind, das heute nicht mehr sitzenbleibt, dafür „in der Klasse verweilt“, ist mit der Begriffsänderung wenig geholfen. Ob jetzt auf dem Schulhof „Du Sitzenbleiber“ oder „Du Verweiler“ Rufe erklingen, den Schmerz des angesprochenen Schülers wird es nicht mindern. Auch unsere „ausländischen Mitbürgern“ sind eben keine echten Mitbürger, sondern Ausländer. Zumeist verwandelt die schöne Idee bestenfalls Ausgrenzung in salonfähige Ausgrenzung. Dann doch lieber ehrlich mit Methusalix: „Ich habe nichts gegen Fremde, aber diese Fremden sind ja noch nicht einmal von hier!“

Aber selbst hier in den USA, dem selbsternannten Heimatland der politischen Korrektheit, kann in seltenen Fällen etwas Schönes aus ihr entspringen. Das Schicksal führte mich an diesem Wochenende zur Teilnahme am alljährlichen Zaman-Run, dem Spendenlauf einer arabischen Hilfsorganisation. Nichts Ungewöhnliches, denn ein großer Teil der Bewohner von Dearborn besitzt arabische Wurzeln.

Zwischen den mehrspurigen Highways ist nur ein einziger Pfad übrig geblieben der sich als Laufstrecke anbietet, eine alte Bahntrasse durch die Sumpfgebiete des Rouge-Rivers. Auf dem treffen sich dann alle Jogger, und an diesem Samstag eben auch die Teilnehmer des Laufs der Zamangesellschaft. An der Anmeldestelle kann ich quasi nicht vorbei, das Zelt steht mitten in meinem Weg. Die Volontäre sind überaus freundlich auch dass ich kein Geld bei mir trage ist kein Problem, kann ich ja später vorbeibringen, nur jetzt soll ich schnell das offizielle T-Shirt überstreifen, samt Startnummer mit aufgedrucktem Chip für die Zeitmessung, denn in drei Minuten fällt der Startschuss. Besser als alleine laufen, denke ich, und füge mich in mein Los. Mit dreihundert anderen Läufern aller Gewichts- und Geschwindigkeitsklassen sind die fünfzehn Kilometer schnell bewältigt, obwohl ich ein durchaus gemütliches Tempo anschlage.

Am Ende gibt es Zielverpflegung:  enthusiastischen Beifall, das Lob so dick wie der Kaffee dünn und Komplimente mit einer noch dickeren Zuckerschicht als auf den Donuts. Alle sind großartig und die schnellsten Großartigsten erhalten obendrein noch Preise. Zunächst in der offenen Wertung, artiger Applaus für die besten drei Frauen und Männer. Dann kommen die Gewinner im „Meisterrennen“ und ich traue meinen Ohren kaum als der Organisator bei der Verkündigung des zweiten Platzes meinen Namen ausruft. Völlig falsche Aussprache, aber dennoch unverkennbar. Ich werde auf die Bühne geschoben, Medaille um den Hals, kein Küsschen von den kopftuchtragenden Damen, dafür aber ein dicker Umschlag. Echtes Preisgeld, immerhin mehr als die Startgebühr, die ich immer noch schuldig bin und obendrein zwei werthaltige Gutscheine.

Erst als ich wieder vor der Bühne in der Menge stehe wird mir klar was gerade geschehen ist. Das „Meisterrennen“ ist ein Ausdruck aus dem Arsenal der „political correctness“. Zuhause in Deutschland nennen wir das „Alte Herren“. Hier hingegen bin ich über fünfzig und nicht etwa alt, sondern ein Meister. Geht doch!

Amerikanisches Tagebuch – Teil 2

77 Grad Fahrenheit sind die optimale Temperatur. Im Physikbuch das Gleiche wie 25 Grad Celsius, aber eben nur dort, nicht im wirklichen Leben. Erklären kann ich das nicht, aber fühlen. In Deutschland ist eine Lufttemperatur von 25 Grad Celsius weder zu kalt noch zu warm und der Inbegriff eines schönen Tages. In Michigan sorgen 77 Grad Fahrenheit dagegen für den perfekten Tag. Warmes Spätsommerlicht, die ersten Blätter an den Ahornbäumen beginnen ihr rotes Glühen und die allgegenwärtigen Eichhörnchen sammeln alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist.

Ein Samstagnachmittag für große Taten, oder zumindest einer, um mit einem Buch auf der Terrasse Perfektion einzuatmen. Allein, mein Hotelzimmer besitzt keine Terrasse und auch die meisten Cafés bieten nur Sofalandschaften in fensterlosen Räumen auf Kühlschranktemperatur. Das Problem ist schnell gelöst, denn die Sommersaison geht dem Ende entgegen, ergo Schlussverkauf in der Campingabteilung. Mit 77 Prozent Rabatt erwerbe ich einen BigBoy Klappstuhl aus der Linie Superkomfort und das eiskalte Bierchen gleich dazu. Damit vor die kleine Hütte im Garten des Hotels gesetzt – ein Nachbau der Heimstatt von Edgar Allen Poe – die Füße hochgelegt und die Entspannung kann beginnen.

Womit ich nicht gerechnet habe: Der Sitzplatz bietet auch ein außergewöhnliches Unterhaltungsprogramm. Ein wunderschöner Hotelgarten und gleichzeitig das einzige nicht asphaltierte Fleckchen in der näheren Umgebung. Dazu ein vorzüglicher Service und ein rühriger Eventmanager, ergeben den idealen Platz für jede Trauung. Im Stundentakt rollen die Hochzeitsgesellschaften aller denkbaren Konfessionen an mir vorbei. Jüdisch, Römisch-Katholisch, Orthodox und ohne Gott. Vereint sind sie einzig durch weißgekleidete Bräute und ein „Ja, ich will“ irgendwo in den, ansonsten sehr verschiedenen, Zeremonien. Immer gefolgt von einer Art Kuss, der auch sehr unterschiedlich ausfällt. Ich mittendrin, mit dem Big Boy, einer Bierdose und barfuß.

Die russisch-orthodoxen Brauteltern – in der amerikanischen Inkarnation – kommen aufgeregt schnatternd auf mich zu. Sofort biete ich den Rückzug an für den Fall, dass sie sich von mir gestört fühlen sollten. Weit gefehlt, ich bin sogar herzlich willkommen, woher ich denn wohl kommen möge? Aus Europa, ganz gar großartig, solch ein Flair und solche Ungezwungenheit könne es ja nur in Italien geben. Gut, dann gebe ich hier eben den Italiener, groß, blond, blauäugig: Die Rolle ist mir auf den Leib geschrieben. Die Brautmama klaubt eine Kamera aus den Falten ihres Gewandes und fragt nach einem Schnappschuss: „Solch ein originelles Bild, da bekomme ich ja ganz Europa und muss nicht den ganzen Weg dorthin reisen!“ Da hätten wir noch den Kölner Dom, die Alhambra, den Louvre, …., denke ich mir und schweige weise und lächelnd.

Wie in jeder guten Choreographie steigert sich die Handlung zum Höhepunkt in der letzten Hochzeit des Tages, ein konservativ evangelikaler Mann will eine griechisch-orthodoxe Frau ehelichen. Und der Mann ist nicht umsonst zuerst genannt. Offensichtlich sind sich die beiden Familien vorher noch nicht begegnet. Die Kulturen prallen gleich vor meiner Nase jungfräulich aufeinander. Ouzo trifft auf Erleuchtung und Sirtaki auf Selbstverzicht als sich – genau vor meiner Nase – die Eltern von Braut und Bräutigam begegnen.

„Welch wunderbarer Tag eine Hochzeit zu feiern“, so eröffnet die griechische Seite. „Wir müssen jede Möglichkeit nutzen am Haus unseres ewigen Gottes zu bauen“ lautet die Antwort. Passt wie Arsch auf Eimer. Instinktiv schaue ich mich nach einer weißen Fahne um, kann aber außer dem Brautkleid nichts entdecken. Das Hotel ist offensichtlich nicht nur wegen seiner Schönheit, sondern auch wegen seiner Neutralität ausgewählt. Auf jeden Fall eine spannende Ausgangslage für mich als Zuschauer.

Alle setzen sich auf ihre Plätze und lauschen der Zeremonie. Liturgie und Prediger stammen aus dem Lager des Bräutigams, eine ungewohnte Mischung aus erzkonservativ und abgehoben. Dabei dominiert das alte Testament, die Frau sei dem Manne untertan, gebärfreudig und nur um Himmels Willen nicht aufmüpfig.

Nun sind Liturgien naturgemäß nicht dem Zeitgeist verpflichtet, was die ein oder andere Merkwürdigkeit verzeiht. Der verkniffene Prediger räumt aber bereits mit seinen ersten Worten alle Interpretationszweifel beiseite: Heutzutage komme es ja durchaus vor, dass auch die Frauen einem Beruf nachgehen. Das klingt aus seinem Mund wie eine ansteckende Krankheit. Im Fall der heutigen Hochzeit sei es sogar so, dass die Frau beruflich erfolgreicher ist als der Herr des Hauses. Solches Dilemma wird durch die Abkehr der Gesellschaft vom rechten Pfad des Herrn erzeugt. Unvermeidbar in dieser Welt, aber doch wolle er besonders die Braut ermahnen, das verdiente Geld doch in aller Ordnung dem Mann zu bringen und nicht etwa der Versuchung anheim zu fallen und eigene Entscheidungen zu treffen.

Zum Glück trage ich keine Schuhe, denn so kann ich meinen Fußnägeln zuschauen wie sich langsam hochrollen. Wie lange, frage ich mich, macht die junge Frau noch gute Miene zum bösen Spiel?  Aber sie bleibt erstaunlich gelassen. Der griechische Block wird allmählich etwas unruhig, ob das allerdings am Inhalt der Predigt oder an ihrer Länge liegt kann ich nicht beurteilen. Wieder mein Erwarten geht die Melange aus Ermahnungen und Erbaulichkeit ohne dramatische Störungen über die Bühne oder genauer gesagt den Rasen. Gesang, Ringe, Küsse, fertig!

Zu guter Letzt erhebt sich dann doch die Braut und richtet das Wort direkt an ihren frischgebackenen Ehemann. Alles lauscht gebannt auf ihre klare Stimme:

„Lieber John, Ich brauche Dich nicht“.

Eine dramatische Pause, in der selbst die Eichhörnchen ihr Geraschel einstellen.

„Ich werde dich auch niemals im Leben brauchen“.

Jetzt halten selbst die kleinen weißen Wölkchen am Himmel inne, in Erwartung eines gewaltigen Gewitters von unten.

„Denn ich habe Jesus gefunden“

Das nenne ich jemanden mit den eigenen Waffen schlagen.

„Aber ich nehme Dich trotzdem gerne.“

Spontanes Lachen und Applaus auf der griechischen Seite und leichtes Stirnrunzeln auf der Evangelikalen. Die Wolken ziehen weiter, die Eichhörnchen rascheln wieder und ich wünsche den beiden alles Gute, mit einem Glas Ouzo aus der leicht zitternden Hand des Brautvaters. Ich an seiner Stelle bräuchte etwas Stärkeres.

Ein besonderer Tag – Teil 2 der Sierra-Trilogie

„War das vielleicht der 21. Juni?“ Manches Rätsel löst sich erst nach langer Zeit.
Wir sitzen in einer der neunhundert Berghütten Neuseelands und philosophieren über das Gepäck, oder vielmehr sein Gewicht, ein unerschöpfliches Thema für alle Wanderer. In der Runde bestimmt das Heimatland die Schwere des Rucksacks. Israel, Deutschland, USA und Neuseeland, so lautet die Gewichtsrangfolge der vertretenen Nationen. Während die Kiwis ultraleicht reisen, tragen die Israelis alles im Rucksack, was der Staat Israel hergibt, inklusive eines Wollpullovers von jedem Schaf aus Abrahams Herde.
Die Amerikaner agieren wie immer hilfsbereit und sparen nicht mit Vorschlägen zur Gewichtsreduktion. Nur das Nötigste einpacken und davon die Hälfte zurücklassen. Die Wolle gegen Fleece eintauschen, die Nahrung dehydrieren und der Zahnbürste den Stiel absägen. Die Kiwis und wir ergänzen die Vorschlagsliste und Gramm für Gramm reduziert sich mit jedem Beitrag die Last der Israelis. Als wir bei gefühlten acht verbliebenen Kilos ankommen, trocknet der Ideenfluss langsam aus. Danach wird es entweder gefährlich, sehr teuer oder abstrus. Doch genau da wird der Dialog spannend, denn der Mangel an guten Ratschläge schafft Raum für das „Wanderlatein“, die unwahrscheinlichen Geschichten die nur in Berghütten wahr sein können.
Ich bin mutig und wähle für meinen Beitrag eine Episode aus der Heimat der Amerikaner, Juni in der Sierra Nevada in Kalifornien und auf dem John Muir Trail ist die Schneeschmelze in vollem Gange. Oben herrscht Sommer, auf dem Boden regiert noch der Winter. Der Vorteil dieser Jahreszeit: Es sind nur wenig Menschen unterwegs, der Nachteil: Die Flüsse sind randvoll und schwer zu furten. Anderen Wanderern sind wir noch nicht begegnet, eiskalten Flüssen dagegen schon sehr hautnah und hüfthoch. Doch jetzt schreitet uns der erste Wanderer entgegen. Ein typischer „Thruhicker“, mit dem Gang eines Menschen der entschlossen ist von Mexiko bis zur kanadischen Grenze zu laufen und von den viertausend Kilometern Strecke schon ein gutes Drittel absolviert hat. Er trägt die übliche Wanderausrüstung: stabile Schuhe mit Wandersocken, Stöcke, Sonnenhut und –brille sowie einen Rucksack mit Hüftgurt. Das ist aber auch alles, ansonsten ist er … nackt! Allein ein dritter Wandersocke baumelt an strategisch bedeutsamer Stelle von seinem Hüftgurt.
Die PCT-Wanderer sind ein ungewöhnliches Völkchen, aber auch die laufen normalerweise nicht im Geburtskostüm durch die Berge. Mir kribbelt es schon bei dem Gedanken, an welchen Stellen ich am Ende eines solchen Wandertags überall Sonnenbrand behandeln müsste. Getreu der amerikanischen Höflichkeit und dem kölschen Grundsatz „Jede Jeck es anders“, erwähnen wir den offensichtlichen Mangel an Bekleidung nicht. Der Mann ist sichtbar gut in Form und in keinerlei Notlage. Wie vermutet, ist er einer der ersten, die in diesem Jahr über die Pässe gekommen ist. Da jetzt ein Weg gespurt ist werden ihm noch einige folgen. Uns ist es recht, denn die Fußspuren werden auch uns zugutekommen.
Nach kurzem Austausch über Wegbedingungen (schwierig) und Wetteraussichten (bestens), folgen wir jeweils unserem Weg. Beim Blick auf den Höhenmesser – 3500 Meter – stellt sich aber dann doch die Frage: Warum läuft einer nackt durchs Hochgebirge? Eine Protestaktion gegen die teure Outdoorbekleidung? Verständlich wäre es, wo doch inzwischen jeder Zweite mit einem Outfit durch die Fußgängerzone läuft, das für die Besteigung des Mount Everest entwickelt wurde. Vielleicht wollen die Wanderer aber einfach nur Gewicht sparen: Leichter als des Kaisers neue Kleider geht nicht.
Jedenfalls ist es ein wundersamer Rollentausch, wo doch wir Deutschen – nach Meinung der Amerikaner – stets nach einem Grund suchen uns die Kleider vom Leib zu reißen. Ich kann mich noch gut an die Sauna in einem amerikanischen Flughafenhotel erinnern. Ich saß alleine auf der mittleren Bank, als vor dem Fenster ein Gesicht auftauchte. Bevor ich freundlich reagieren konnte, verschwand der Besucher aber bereits wieder. Dafür stand keine zwei Minuten später ein Manager des Hotels in der Saunakabine, korrekt gekleidet mit glänzenden Schuhen und dunklem Zweireiher. „You are not naked, aren’t you?“ sprach er mich keineswegs unfreundlich an.
In großer Hitze funktioniert mein Gehirn etwas langsamer und der Sinn der Frage wollte sich mir nicht erschließen. Die nackten Tatsachen waren eindeutig, schließlich saß ich in einer Sauna. Nach einigem Nachdenken wurde mir klar, dass der Mann nicht ernsthaft nach einer Antwort auf seine Frage suchte. Andererseits fand ich es amüsant zu beobachten, wie sich allmählich die Schweißperlen auf seiner Stirn sammelten und von dort gemächlich auf die Hochglanztreter tropften. Ich dachte mir: „Das ist der richtige Moment, um zu vergessen, dass ich Englisch spreche“, und antwortete betont höflich mit einem langen, geschachtelten deutschen Satz. Der Inhalt spielt dabei keine Rolle. „Erdbeermarmelade“ kam darin vor, weil das Wort schön freundlich klingt. Jetzt war das Hirn des Hotelmanagers mit dem Arbeiten an der Reihe: „Verschwitze ich hier weiter meinen Anzug und verstehe nichts, oder trete ich den Rückzug an?“
An seinen Augen konnte ich keine Reaktion ablesen, denn ihr Blick ruhte etwa dreißig Zentimeter über meinem Kopf an der Wand. Dort gab es nichts zu sehen, aber seine Erziehung verbot ihm, auch nur einen Millimeter tiefer zu schauen. Meine Augen dagegen wanderten von seinem Scheitel bis zu den Ledersohlen und genossen es, den Leidensdruck beim Wachsen zu beobachten. Schließlich drehte er sich ab, griff sich eines der Handtücher um Gesicht und Anzug zu trocknen und verschwand brummelnd um die Ecke. Auch ich räumte das Feld, die Hauptattraktion dieses Saunaganges hatte ich genossen.
Umso mehr verwundert mich jetzt der nackte Wanderer in den Bergen und obendrein sollte es nicht der Einzige bleiben. Um die Mittagszeit rasten wir nach einer Flussdurchquerung, als die nächsten Nackten auftauchen, diesmal ein junges Pärchen. Während wir den Fluss auf die europäische Art gefurtet haben – Wanderschuhe aus, Gummischuhe an und halbes Adamskostüm – stürzt sich das Pärchen auf amerikanische Weise in den Fluss – Schuhe an den Füßen, Hüftgurt geöffnet und die Arme gegenseitig auf den Schultern überkreuzt. Gemeinsam schreiten sie dann flussaufwärts durch die Strömung und bieten ein schiefes Bild, denn sie ist deutlich kleiner als er.
Nach der guten Hälfte des Weges, die Hüfte der Frau ist bereits wieder aus dem Wasser aufgetaucht, gerät sie ins Straucheln. Sie kämpft im strudelnden Wasser um das Gleichgewicht, ihr freier Arm sucht dringend einen Halt an der Vorderseite ihres Partners. Viele Möglichkeiten bieten sich nicht, wie gesagt das Wasser ist eiskalt. In ihrer Not greift sie beherzt zu. Wäre sie etwas größer, dann hätte sie vielleicht das Ende seines Hüftgurtes erwischt. So aber schallt der markerschütternde Schrei des Mannes durch das Tal und meine Liste an Gründen gegen das Nacktwandern wird um einen entscheidenden Eintrag länger.
(der 21. Juni ist „Hike Naked Day“, am längsten Tag des Jahres lassen die prüden Amerikaner die Hüllen fallen, allerdings nur fernab jeglicher Zivilisation)

Wie Amerika wieder groß wird: Donald Trump?

Der Wahlkampf von Donald Trump lebt von der schweigenden Mehrheit. Damit genau das nicht funktioniert, werde auch ich mich vom Schweigen trennen und ausnahmsweise in diesem Blog politisch. Warum stammen nahezu alle amerikanischen Präsidenten aus den Familien Kennedy, Bush oder Clinton? Selbstverständlich gibt es auf diese Frage keine vernünftige Antwort. Aber es existiert eine logische Konsequenz und die lautet: Das sollte mal einer ändern, oder es zumindest versuchen. Aber warum in aller Welt ausgerechnet Donald Trump?
Ich verstehe ja, dass eine Bewerbung ein gewisses Eigenkapital erfordert, aber dennoch sollte es unter vierhundert Millionen Amerikanern doch eine andere Wahl geben? Gut, die Randbedingung in den USA geboren zu sein reduziert das Potential. Aber selbst wenn wir Arnold Schwarzenegger und die Immigranten der ersten Generation abziehen, bleiben noch eine Menge Amerikaner übrig. Da aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit ein Herr Trump kandidiert und dabei auch noch entgegen aller Logik in den Vorwahlen echte Wählerstimmen erhält, komme auch ich nicht daran vorbei. Ich muss ihn betrachten, oder genauer gesagt die Website seiner Kampagne, auf den Anblick der Person kann ich gut verzichten und dabei bin ich bei Frisuren keineswegs empfindlich.
Nachdem ich bestätige, kein Roboter zu sein, darf ich auch schon rein, in die wundersame Welt des Kandidaten. Im Wesentlichen besteht der Auftritt aus drei Anliegen: Unterstützer zu werben, Spenden zu sammeln und Werbeartikel verkaufen. Alles drei ist bei mir vergebliche Liebesmühe.
Eine einzelner Link auf der Website ist aber auch dem politischen Inhalt, der Mission des Kandidaten, gewidmet und breitet seine Positionen aus. Sonderlich breit ist das Spektrum allerdings nicht, dafür geht es aber auch nicht tief. Ganze fünf Kernaussagen in kleine Kisten verpackt genügen, um die Zukunft der USA so rosarot zu färben, wie sie zuletzt Janis Joplin 1969 auf einer Wiese in Woodstock erschien. Früher in der Schule nannten wir so etwas den „Mut zur Lücke“; das kann funktionieren, muss es aber nicht.
Die größte der Kisten beschäftigt sich mit dem zweiten Anhang zur Verfassung, dem „Grundrecht“ Waffen zu tragen. Ein strategisch durchaus sinnvoller Plan, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Liebe zur Waffe in den USA eine ganz eigene ist. Für uns so unbegreiflich wie dem Japaner die deutsche Vorliebe für Schweinshaxe mit Sauerkraut. Allerdings – bei allem Respekt vor den gesundheitsschädigenden Folgen von Schweinefleisch – eine Liebe, die deutlich gefährlicher ist.
Selbst die Amerikaner, die heute noch gefühlt zwischen Lederstrumpf und rauchenden Colts gen Westen ziehen, finden hier noch die ein oder andere Überraschung. Der Staat möge doch Führerscheine regulieren, aber nicht das verdeckte Tragen von Waffen zum Beispiel.
Die nächste Überraschung erlebe ich in der Kiste zu Gesundheitsreform. Herr Trump schlägt etwas vor, was sich nur als Obama-Care auf Drogen bezeichnen lässt. Kostenlose Krankenversicherung für alle, mit freier Arztwahl und das nicht nur für körperliche, sondern auch für seelische Gebrechen … einziger Schönheitsfehler: Das Ganze soll nur für Kriegsveteranen gelten.
Danach ist dann aber auch Schluss mit Überraschungen, die drei letzten Kisten sind vorhersagbar: Donalds Verhandlungsstärke wird die Chinesen in die Schranken weisen und ihre Fabriken mitsamt Arbeitsplätzen wieder in die Staaten führen. Die Steuerklärungen werden demnächst auf einen Bierdeckel passen, wobei natürlich ein jeder weniger bezahlen muss. Schließlich wird das perfekte Amerika durch eine undurchlässige Mauer entlang der Grenze zu Mexiko abgerundet.
Diese Mauer sollen die Mexikaner übrigens selbst bezahlen, ein Gedanke, der gar nicht so abwegig ist, aus Eigenschutz. Sobald die wohlversorgten Veteranen mit halbautomatischen Waffen in Horden durch Texas ziehen, wird die Mauer für Mexiko quasi unvermeidlich.
Der Teil in dem alle weniger Steuern bezahlen am Ende aber mehr Einnahmen entstehen ist etwas nebulös. Der angegliederte Onlineshop liefert aber einen Hinweis, wie es funktionieren könnte. Dort ist einer der meistverkauften Artikel das „Team Trump“-Paket, eine bunte Sammlung von Ansteckern, T-Shirts und Mützen die es erlauben für Trump zu trompeten. Für zwei Personen kostet der Spaß achtzig Dollar, für sechs Personen dreihundertfünfunddreißig, mehr als viermal so viel. So rechnet ein echter Geschäftsmann.
Also bleibt am Ende nur zu hoffen, dass die Legende doch stimmt, nach der die USA das demokratischste Land der Erde ist. So demokratisch, das selbst ein Donald Trump kandidieren kann. Aber eben auch nur das.
(Dieser Artikel darf von allen Parteien in den USA unentgeltlich zu Wahlkampfzwecken verwendet werden)

Not all who wander are lost

Ninety days in the US & Canada, more than sixty of it in our beloved tent and over forty-five in the backcountry that we do love even more. We canoed over forty kilometers, hiked more than one-thousand and drove some more on the road. Saw six bighorn sheep, eight bears, ten moose, twelve eagles and countless deer, marmots and squirrels. And I am not even mentioning the mosquitos. Burned a heap of wood in campfires, gas in our stove and are still wondering if there are more stars in the sky or more trees in the woods? Now that our hiking boots are finished as much as our visa, it is time to try and wrap it up for you.

In Montana the saying is: “Camping without beer is just sitting in the woods”. By this standard we did have some camping, but mostly we have been sitting in the woods. Given the specifics of these woods however, this is perfectly fine. Between the California Sierra Nevada and Mt. Robson in Northern British Columbia we have covered some of the most scenic trails that North America has to offer, some of them have names and are well travelled, others did not only lack a name, but also other people. All of them created more pictures and memories than what our brain could take, let alone write it down here. So let’s make cognac out of the wine and boil it down to one-line:

High Sierra Trail, Sequoia, California: Where the nights are so clear and calm that millions of stars reflect in Lake Colby.

Desolation Wilderness, Lake Tahoe, California: Where we finally crossed the Rubicon, and came back to have lunch on the other side.

Winds River Range, Wyoming: Where the sky is big, but there are still enough mosquitos to fill it.

Teton Crest Trail, Grand Teton NP: Where we felt more alive than ever on “Deadmen’s Shelf”.

Yellowstone NP: Where we roamed with the buffalo through sulfur smoke.

West Coast Trail, Vancouver Islands: A “beach walk” where the whales did (almost) spout on our heads.

Murtle Lake, British Columbia, Canada: Where we gave our legs a break and learned that paddling down a river is easier than across a windy lake.

Mt. Robson, BC/Alberta Canada: Where we learned to never trust a Canadian when he calls a lake “warm” enough to swim in.

Glacier NP, Montana: Where the best huckleberries grow and a bear wanted to share lunch with us. We had to decline the offer however, he wasn’t bringing anything to the table…

In between the backcountry tours, we spend our time meeting some old friends and making new ones; scoring food that was never de-hydrated and using natural hot springs to get us re-hydrated. The only things we lost on the way were a water bottle and a few pounds. The amount of things we gained however are too many to list.

On the northernmost point of our loop, right on top of snowbird pass, we did meet a fellow hiker who is also in a one-year sabbatical. He summarized it properly by stating: “Everyone should be granted the opportunity for a sabbatical in the middle of their career, it is just good”. I could not agree more.

Now we are taking a little break from the discovery work in Fiji. The plan is to stay within hundred yards of the beach we are living on and not to use any other footwear, other than fins to snorkel.

Bula from Fiji

Gepäck und Sitten

Ausgerechnet von Düsseldorf in die Weltreise zu starten ist dem Kölner eine Herausforderung. Andererseits geht es ja genau darum neue Herausforderungen zu finden und wenn es denn schon Düsseldorf sein muss, dann doch lieber gleich am Anfang, damit ist der schwerste Teil der Reise schnell geschafft.

Die geplante Reduktion des Gepäcks auf einen Rucksack ist uns fast gelungen, auch dank der Hilfe unseres Flugtickets, welches nur ein Gepäckstück zulässt. Zusätzlich ist aber noch ein Stück Handgepäck erlaubt, und zwar eines von beachtlichen Ausmaßen. Damit wird uns das zweite Gepäckstück praktisch aufgezwungen. Diesen Fehler korrigiert Air Neuseeland dann aber schon kurz nach unserer Ankunft in Los Angeles: Wir sind gut geflogen, unsere Rucksäcke sind aber während des Umsteigens in London aufgehalten worden. Also reisen wir zunächst mit wirklich leichtem Gepäck.

Auch ohne Rucksack können wir recht gut wandern, aber Zelten ohne Zelt ist eher schwierig. Das Problem ist nur: wir haben einen Zeltplatz gebucht. Also heißt es zum ersten Mal flexibel sein und im Hyatt schlafen anstatt zu zelten. Mit etwas gutem Willen geht das, immerhin besitzt das Hotelzimmer einen guten Ausblick auf die Queen Mary, die im Hafen von Long Beach ihr wohlverdientes Gnadenbrot gefunden hat. Die zusätzliche Zeit in Los Angeles ermöglicht noch ein Bad im Pazifik, der sich deutlich lebhafter präsentiert als vorgestern noch der Fühlinger See.

Mit einer Nacht Verspätung kommen wir dann auf unserem Zeltplatz im Montana de Oro Naturpark an und sind wie immer von den Dimensionen überrascht. Für einen Bruchteil des Hotelpreises im Hyatt, haben wir ein Zeltgrundstück gemietet, das ausreichen würde um ein ganzes Hotel darauf zu bauen. Sicher, die Gegend müsste erst noch erschlossen werden, bisher steht nur ein Plumpsklo, die Anreise funktioniert nur zu Fuß und Wasser müssen wir auch selbst mitbringen. Dafür sind aber reichlich Aussicht, Einsamkeit und Meeresrauschen schon vorhanden. Am Ende der Nacht steht fest: Im direkten Duell zwischen Zeltplatz und Sternehotel steht es 1:0 für den Zeltplatz.

Unser Essen nehmen wir aber, solange das noch möglich ist, doch lieber frisch gekocht. „Fish & Chips“ sind bestellt, leider zwei Portionen, denn schon eine allein reicht aus den Cholesterinspiegel von zwei Personen in bedenkliche Höhen zu treiben. Sowohl der Fisch auch die Chips sind gut, nur zu viel ist es eben. Essbares auf dem Teller zu lassen ist uns unmöglich und ein „Doggiepack“ macht keinen Sinn, wir fahren einen Mietwagen ohne Kühlschrank. Also bleibt uns nur eine Wahl: Durchbeißen!

Dabei fällt mir auf: Im prall gefüllten Restaurant sind wir die einzigen Ausländer. Weshalb ich das so genau weiß? Nur wir halten die Gabel in der linken Hand. Die Amerikaner rings um uns herum speisen im amerikanischen Stil: die Gabel mit der rechten Hand fest umklammert, mit einem Griff der an die Rückhand von Boris Becker erinnert. Die linke Hand liegt züchtig unter dem Tisch auf dem Knie und das Messer etwas verlassen am Tellerrand. Nur wenn es absolut unvermeidlich ist wandert die Gabel nach links um dem Messer Platz zu machen. Dann wird auch gleich die gesamte Mahlzeit kleingesäbelt, um das Messer möglichst schnell wieder loszuwerden.

Angeblich ist diese Art des Umgangs mit Besteck das Resultat eines Wettbewerbs welcher nach der Unabhängigkeitserklärung in Boston ausgerufen wurde. Losgelöst von den Briten sollten möglichst viele der britischen Traditionen durch ureigene amerikanische Errungenschaften ersetzt werden. Darunter auch die Tischsitten. Weshalb ausgerechnet dieser Vorschlag gewonnen hat und ob überhaupt andere Vorschläge eingegangen sind ist leider nicht überliefert.

Wichtig ist allein das Symbol der Abnabelung von der ehemaligen Kolonialmacht. Andere ehemalige Mitglieder des britischen Empires haben diesen Schritt nie geschafft und fahren heute noch ihre Autos auf der falschen Straßenseite. Vermutlich sind deswegen auch unsere Rucksäcke in London gestrandet: unser Flugzeug war wohl auf der falschen Seite geparkt.