Zur zarten Kokosnuss

Können Kokosnüsse auch zäh sein? In Indien offensichtlich schon. Für unsere Augen und Ohren sind sie ungewohnt, die Schilder welche in einem unnachahmlichen Englisch Wahrheiten verkünden. Wahrheiten wie sie die englische Sprache nur in Indien zulässt. Viele fallen auf den ersten Eindruck herein und glauben die Inder – zumindest diejenigen aus der Kaste der Schildermaler – wären des Englischen nicht mächtig. Das ist natürlich weit gefehlt, denn genau das Gegenteil ist richtig: bei genauer Betrachtung offenbart sich wie exakt es diesen Schildern gelingt, genau das auszudrücken was gesagt werden muss.

„We provide Western toilets and clean toilets“, so strahlt es mir an der Raststätte entgegen und jeder der einmal in Indien gereist ist weiß sofort: Hier wird ein wahres Wort gelassen ausgesprochen. Und die Wahl zwischen den beiden Varianten fällt nicht schwer. Entweder mit Sitz oder sauber. Übrigens beides ohne Klopapier, sonst würde das ja auch auf dem Schild stehen.

Häufig liegt der Unterschied im Detail. Überall auf der Welt heißen Geldautomaten ATM, auch in Indien. Aber während die Abkürzung in allen anderen Ländern sehr nüchtern „Automated Teller Machine“ bedeutet, leuchtet über dem indischen Geldautomaten eine viel treffendere Beschreibung der Funktion: hier steht ATM für: „All Time Money“.

Die Bedienung verläuft dann wie gewohnt, bis dann am Ende der Hinweis auftaucht: „Please wait while your money is been printed“. Die Geldscheine die danach zum Vorschein kommen sehen allerdings überhaupt nicht so aus, als ob sie gerade aus der Druckerpresse kommen. Aber auch in Deutschland wird langsam jedem klar, dass unser Wirtschaftssystem davon lebt einfach immer mehr Geld zu drucken, auch wenn es keiner offen ausspricht.

Die abgenutzten Scheine sind vollkommen ausreichend um die Rechnung im Hotel „Zur Zarten Kokosnuss“ zu begleichen. Das gleiche Hotel bietet auch „Quiet and Warm Showers“ und wieder kann ich den Schildermaler nur für seine Aufrichtigkeit loben. Der Duschraum liegt nachmittags in der prallen Sonne; ich würde ihm auch keineswegs Übertreibung vorwerfen können, wenn er von „Hot Showers“ gesprochen hätte. Aber ein gewisses Element des britischen Unterstatements hat sich dann doch in diesem Land eingenistet. Was die Ruhe angeht: Auch hier kein Unterschied zwischen der Ankündigung und der Realität. Als ich die Hähne aufdrehe unterbricht keinerlei Wasserrauschen die Stille im Bad, noch nicht einmal ein Tröpfeln. Ich denke ganz kurz, dass er auch „warme, ruhige und trockene“ Dusche hätte schreiben können, aber er ist ja Inder und kein Deutscher.

Also anstatt der erfrischenden Dusche lieber eine belebende Massage. Mutig entscheide ich mich für eine Ölmassage, mit der Beschreibung: „This massage gives benefits of lightens the body oil not use“. Nicht jede indische Weisheit ist für den Ausländer sofort zugänglich. Meine Hotelrechnung bezahle ich jedenfalls gerne, denn ich verlasse das „Hotel zur zarten Kokosnuss“ mit vielen neuen Erkenntnissen. Ein letzter Gruß des Hauses steht in großer Schrift ganz vorne am Eingang: „Come to us as a friend and leave us a family!“ Das allerdings – da bin ich mir ganz sicher – habe ich nicht getan.

Sprache 1: Finnland

„Do you see the ghost”?

Gehorsam folgten meine Augen dem ausgestreckten Zeigefinger der freundlichen Dame, aber außer einem einsamen See mit einigen waldbedeckten Inseln war nichts zu erkennen, was auch nur annährend an einem Geist erinnerte. Schwierig ist sie, die Verständigung hier in Nordfinnland, außer „Sauna“ hatte ich in dieser Sprache noch kein Wort gefunden, dem ich eine Bedeutung zuweisen konnte. Auch Worte die sich in den meisten anderen Sprachen ähnlich klingen, sind hier vor allem eines: vollkommen anders. So heißt das Telefon „Puhelin“ und wer von eins bis drei zählen möchte muss sich mit „yksi, kaksi, kolme“ anfreunden.

Etwas hatte ich allerdings inzwischen gelernt: „Möki“ heißen sie, die rot-weißen Ferienhäuser von denen ich gerade eines mieten wollte. Ich hatte keine Ahnung ob der unsichtbare Geist durch meine Frage nach dem „Möki“ hervorgerufen wurde oder zufällig zur gleichen Zeit erschien. Mir blieb auch keine Zeit darüber nachzudenken, denn die Finnin verlor die Geduld mit dem begriffsstutzigen Deutschen.

Sie griff energisch meinen Arm, zog mich aus der Hütte und auf einen kleinen Brettersteg, sehr zur Freude der Mückenschwärme. Resolut drückte sie mir ein Paddel in die Hand um gleich darauf, zunächst auf ein wackliges Kanu und danach wieder hinaus auf den See zu deuten: „You see the ghost“?

Wahrscheinlich war es die heilende Wirkung der Mückenstiche, denn langsam begann ich zu verstehen. Das Ferienhaus lag auf einer Insel und bei dem vermeintlichen Geist handelte es sich um deren „coast“. Die Küste, die ich mit dem Kanu ansteuern sollte um es zu erreichen: mein „Möki“. Und dieses Ferienhaus hatte dann sogar eine Sauna.