Geisterfahrer

Einmal so richtig gegen den Strom schwimmen! Anders sein als all die anderen!

Mein Ziel im Sabbatjahr ist das mit Sicherheit nicht. Nie wollte ich derjenige sein, der auf den Warnhinweis im Autoradio genervt antwortet: „Was soll das heißen, EIN Geisterfahrer? Hier sind Hunderte!“.Und es geht ja auch nicht um mangelndes Verständnis, sondern darum bewusst etwas wirklich anderes zu tun. Etwas Drastisches, Dramatisches und Radikales. Es gibt keinen anderen Ausweg: ich werde dem ADAC beitreten.

Noch nie war ich Mitglied in diesem Verein und obendrein werde ich mein Auto abschaffen, zum ersten Mal seitdem ich vor über dreißig Jahren die Führerscheinprüfung abgelegt habe. Natürlich ist der Beitritt ein moralisch strafbarer Akt, aber wir brauchen eine Auslandskrankenversicherung und für das Sabbatjahr bin ich bereit Opfer zu bringen.

Anruf bei der ADAC Geschäftsstelle, die Dame am Telefon meldet sich freundlich, bestenfalls ein wenig gehetzt, aber das kann ich mir auch einbilden:

„ADAC Geschäftsstelle Köln, was kann ich für Sie tun?“

„Mein Name ist Ackermann und ich würde gerne ihrem Verein beitreten!“

„Wie lautet Ihre Mitgliedsnummer?“

„Ich habe leider noch keine Mitgliedsnummer!“

„Dann können sie auch nicht austreten.“

Gegen den Strom zu schwimmen kostet ganz offensichtlich Körner. Innerlich bereite ich mich schon darauf vor, mit fingiertem Batterieschaden auf dem Standstreifen der Autobahn den „gelben Engel“ zu rufen und ein vom Regen durchnässtes Formblatt zu unterschreiben. Quasi das letzte Schlupfloch um noch in diesen Verein aufgenommen zu werden.

Doch dann erkennt die ADAC-Dame gerade noch rechtzeitig, dass sie es mit einem Geisterfahrer zu tun hat und bietet mir doch eine Mitgliedschaft an. Aus Pietätsgründen verzichte ich darauf, mir aus den vielen freigewordenen Mitgliedsnummern eine besonders attraktive wählen zu dürfen. Auch verkneife ich mir alle anderen geistreichen Kommentare denn die Stimme der Vernunft ruft mich zurück in die Spur der Mehrheit.

Jetzt muss ich nur noch die Frage klären, an welche Adresse ich die berühmte Clubzeitschrift während unserer Abwesenheit schicken lasse? Wer interessiert sich noch für den ADAC? Vielleicht das Finanzamt!