Bungeejumping, Skydiving oder Canyoning: alle diese adrenalinschwangeren Extremsportarten wurden in Neuseeland erfunden. Kein Wunder, die Insel ist so klein und die Zerstreuung so rar, dass auch die absurdeste Idee irgendwann einmal ausprobiert werden muss. Überlebt der Probant, dann ist eine neue, noch extremere Sportart geboren.
Diesem Trend zum Extremen muss ich natürlich auch folgen und beschließe eine Runde Golf zu spielen. Nun gilt das Golfen nicht allen als ausgesprochener Extremsport, manchen noch nicht einmal als Sport, sondern bestenfalls als langatmiger Zeitvertreib der Wohlhabenden. Wer so denkt, hat allerdings noch nie in Kiwiland gegolft und bestimmt nicht in Takaka, einer Hippiesiedlung am Ufer des tasmanischen Meeres.
Als ich am Sonntagnachmittag auf dem Golfareal erscheine, sammelt eine Gruppe dieser Hippies -würdevoll ergraut – gerade am letzten Loch ihre Bälle ein. Mein Glück, denn so kann ich die fünfzehn Dollar Platzgebühr entrichten, die Leihschläger samt Transportkarre sind inklusive. Paul, der ehrenamtliche Platzwart schreibt meinen Namen in die dicke Vereinskladde: „Nur für den Fall dass Du dieses Jahr nochmal spielen willst, dann wirst du besser Mitglied im Golfclub, das kostet fünfundzwanzig im Jahr.“ Großzügig füllt er Golfbälle in meine Golftasche, „Der Wind und das Meer..“ murmelt er dabei, „Na, Du wirst es schon merken“.
Ich frage ob es denn lokale Regeln zu beachten gilt. „Nicht viele“, brummt Paul, „wenn Du ein Schaf triffst, darfst Du den Schlag wiederholen. Aber das ist eigentlich nur wichtig wenn die Tiere dickes Fell haben, da bleiben die Bälle drin hängen. Im Moment sind sie frisch geschoren, dann prallen sie gut ab. Wenn der Ball im Schafdung landet, darfst Du ihn versetzen, aber das ist nur wichtig wenn Du mit anderen spielst. Wirklich wichtig ist, das Du den Strom am Elektrozaun abschaltest bevor Du mit dem Schläger drankommst“. In der Tat ist jedes Grün rund um das Loch mit einem kleinen Weidezaun versehen, der dazu dient die vierbeinigen Gärtner aus diesem sensiblen Bereich fernzuhalten.
Frohgemut und unter interessierten Blicken ziehe ich zum Abschlag an Loch Eins. Der Druck von zwölf Augenpaaren in meinem Nacken ist offensichtlich hilfreich, denn wider Erwarten gelingt mir ein prächtiger Abschlag und der Ball fliegt in hohem Bogen genau in Richtung Fahne. Allerdings war der Bogen ein klein wenig zu hoch, so dass mein Ball erst hinter dem Ziel in einem Sandbunker zur Ruhe kommt, der geschickt aus den Dünen geformt ist.
Kein Problem, denke ich mir, denn genau für diese Fälle hält mein Leihset einen entsprechenden Spezialschläger bereit. Erneut gelingt es mir den Plan in die Tat umzusetzen: ein sanfter, steiler Lupfer hebt den Golfball über die Düne in Richtung Ziel. Was ich nicht beachtet habe: Die Lage am Meer mit antarktischen Sturmwinden. Eine Böe erfasst meinen Lupfer und zwingt den Ball dorthin zurück wo er herkam. Ich schaffe es gerade noch mich zu ducken und schaue dann konsterniert auf meinen Golfball der zwei Meter hinter mir unschuldig im Sand liegt. Der zweite Versuch endet noch katastrophaler, diesmal kommt der Windstoß von der Landseite und die kleine weiße Kugel wird aufs Meer geblasen, ohne Tauchausrüstung ist sie nicht mehr zu erreichen. Irgendwann gebe ich auf und spiele flach um die Düne herum. Das erste Loch beende ich schließlich mit vierzehn Schlägen mehr und zwei Bällen weniger als geplant.
Nach vier weiteren Löchern finde ich langsam Gefallen an dem Kurs; der Wind, das Meer, die Schafe und selbst deren Exkremente schaffen einen besonderen Reiz. Auch schaffe ich es vor achtzehn Uhr das achte Loch zu beenden, danach schneidet die Flut diesen Zipfel des Platzes vom Land ab. Am Abschlag zu Loch Neun springen auf einmal die Schafe aufgeregt in alle Richtungen davon, ein buntbemalter VW-Bus hält genau auf mich zu.
Es ist Paul mit zweien seiner Freunde, sie drücken mir ein kaltes Bier in die Hand: „Wer bis hierhin kommt hat sich ein kaltes Bier verdient! Wir fahren jetzt nach Hause, stell die Schläger einfach in den Schuppen und wenn Du noch duschen willst: Das Clubhaus ist offen.“