Politische Korrektheit

Ich hasse sie, die „political correctness“, denn sie ist ein Wolf im Schafspelz. Was uns als korrekt verkauft wird ist eben nur politisch korrekt. Wie leider allzu oft die echten Politiker, will sie nichts ausdrücken, sondern nur nirgends anecken. Der Indianer wird zum „native American“, worunter nur der größte Idealist den „wahren“ Amerikaner versteht, die dramatische Mehrheit hingegen eine Randgruppe. Dem Kind, das heute nicht mehr sitzenbleibt, dafür „in der Klasse verweilt“, ist mit der Begriffsänderung wenig geholfen. Ob jetzt auf dem Schulhof „Du Sitzenbleiber“ oder „Du Verweiler“ Rufe erklingen, den Schmerz des angesprochenen Schülers wird es nicht mindern. Auch unsere „ausländischen Mitbürgern“ sind eben keine echten Mitbürger, sondern Ausländer. Zumeist verwandelt die schöne Idee bestenfalls Ausgrenzung in salonfähige Ausgrenzung. Dann doch lieber ehrlich mit Methusalix: „Ich habe nichts gegen Fremde, aber diese Fremden sind ja noch nicht einmal von hier!“

Aber selbst hier in den USA, dem selbsternannten Heimatland der politischen Korrektheit, kann in seltenen Fällen etwas Schönes aus ihr entspringen. Das Schicksal führte mich an diesem Wochenende zur Teilnahme am alljährlichen Zaman-Run, dem Spendenlauf einer arabischen Hilfsorganisation. Nichts Ungewöhnliches, denn ein großer Teil der Bewohner von Dearborn besitzt arabische Wurzeln.

Zwischen den mehrspurigen Highways ist nur ein einziger Pfad übrig geblieben der sich als Laufstrecke anbietet, eine alte Bahntrasse durch die Sumpfgebiete des Rouge-Rivers. Auf dem treffen sich dann alle Jogger, und an diesem Samstag eben auch die Teilnehmer des Laufs der Zamangesellschaft. An der Anmeldestelle kann ich quasi nicht vorbei, das Zelt steht mitten in meinem Weg. Die Volontäre sind überaus freundlich auch dass ich kein Geld bei mir trage ist kein Problem, kann ich ja später vorbeibringen, nur jetzt soll ich schnell das offizielle T-Shirt überstreifen, samt Startnummer mit aufgedrucktem Chip für die Zeitmessung, denn in drei Minuten fällt der Startschuss. Besser als alleine laufen, denke ich, und füge mich in mein Los. Mit dreihundert anderen Läufern aller Gewichts- und Geschwindigkeitsklassen sind die fünfzehn Kilometer schnell bewältigt, obwohl ich ein durchaus gemütliches Tempo anschlage.

Am Ende gibt es Zielverpflegung:  enthusiastischen Beifall, das Lob so dick wie der Kaffee dünn und Komplimente mit einer noch dickeren Zuckerschicht als auf den Donuts. Alle sind großartig und die schnellsten Großartigsten erhalten obendrein noch Preise. Zunächst in der offenen Wertung, artiger Applaus für die besten drei Frauen und Männer. Dann kommen die Gewinner im „Meisterrennen“ und ich traue meinen Ohren kaum als der Organisator bei der Verkündigung des zweiten Platzes meinen Namen ausruft. Völlig falsche Aussprache, aber dennoch unverkennbar. Ich werde auf die Bühne geschoben, Medaille um den Hals, kein Küsschen von den kopftuchtragenden Damen, dafür aber ein dicker Umschlag. Echtes Preisgeld, immerhin mehr als die Startgebühr, die ich immer noch schuldig bin und obendrein zwei werthaltige Gutscheine.

Erst als ich wieder vor der Bühne in der Menge stehe wird mir klar was gerade geschehen ist. Das „Meisterrennen“ ist ein Ausdruck aus dem Arsenal der „political correctness“. Zuhause in Deutschland nennen wir das „Alte Herren“. Hier hingegen bin ich über fünfzig und nicht etwa alt, sondern ein Meister. Geht doch!

5 Gedanken zu „Politische Korrektheit

  1. Vor vielen Jahren wurde ich – wider besseren Wissens seitens der Organisation, denn ich war Raucherin – auf einem Campus in Kalifornien in einem Nichtraucher-Wohnheim einquartiert. Dort habe ich kennen gelernt, welche Interessenkonflikte „political correctness“ hervorrufen kann: Ich wurde bedauert, da ich ja als Europäerin überhaupt nichts dafür kann, dass ich im rauchenden Deutschland sozialisiert wurde, man musste mir also etwas entgegenkommen und mir das Rauchen irgendwie erlauben. Andererseits wohnte ich im EG und im 1. Stock wohnten Menschen mit „disabilities“, was allerdings auch so genannte „Rauchallergien“ miteinschloss. Um also zu vermeiden, dass der Rauch aus meinem Zimmer durch das Fenster die Außenwand hoch ins nächte Fenster wieder reinkroch, wurden große schwarze Boxen für mich gekauft, die so laut waren wie ein Staubsauger und die den von mir produzierten Rauch einsaugen sollten. Ich durfte also nur bei ohrenbetäubendem Lärm rauchen und genützt hat’s am Ende eh niemand.
    Andererseits: Auch wenn, wie hier beschrieben, womöglich skurrile Dinge dabei herauskommen, ich würde nie so weit gehen und sagen, das political correctness überflüssig ist. So lange wir in einer Welt leben, in der die meisten Menschen nicht mal eine Ahnung davon haben, warum man sich vielleicht über dies oder das mal Gedanken machen sollte, werde ich nicht müde darauf hinzuweisen, wenn etwas nicht politisch korrekt ist. Ich denke, es kommt – wie so oft im Leben – dabei auf eine gerwisse Empathie und den richtigen Tonfall an. Und man darf sicherlich auch mal lachen, wenn etwas schief geht oder einfach nur lustig ist.

    • Sehr schön, das Rauchen ist natürlich inzwischen ein Thema das endgültig erledigt ist, obwohl: Im Norden Michigans habe ich tatsächlich noch einen Laden gefunden (diese herrliche Kombination aus Tante Emma Laden, Post und Kneipe) in dem noch Raucher saßen (und sich lauthals darüber echauffierten, dass Herr Weinstein doch eigentlich nur ein normaler Mann ist….. also: Proof to your point, political correctness ist (leider) auch wichtig.

  2. Hallo Ingmar, was sagt uns das: Es ist menschlich und respektvoll und das sind eben Eigenschaften, die viele Menschen nicht besitzen :-). Dabei möchte doch wirklich jeder ein bisschen Anerkennung und dabei ist es egal, auf welchem „Gebiet“ das stattfindet :-), da reichen sicher auch kleine Komplimente 🙂 …Mein Motto ist ja Sport ist Sport *lach*…Sehr schön geschrieben LG Angela

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