Fast alles wird einfacher in der Wildnis. Aber eben auch nur fast alles, an manchen Stellen fehlen die Errungenschaften der modernen Zivilisation dann doch, zum Beispiel die Toilette. Ohne die Technik des Wasserklosetts ist ein großes Geschäft keineswegs einfach. Nicht umsonst steht in jedem amerikanischen Outdoorladen das einschlägige Standardwerk: „How to shit in the woods“, welches Technik und Ausrüstung für alle Arten von Wildnis detailreich erklärt.
Eine Million Moskitos die nur auf blanke, unbewegte Haut warten, erweitern den Gang zur Toilette gleichzeitig noch zu einem unfreiwilligen Blutspendetermin. Aber, die Natur fordert ihr Recht und so lasse ich meinen Rucksack am Wegrand zurück und schlage mich mit Papierrolle und einer kleinen Schaufel bewaffnet in die Büsche.
Während ich gerade meine tiefe Hocke perfektioniere und gleichzeitig versuche den Stechmücken Einhalt zu gebieten, höre ich ein Rascheln. Jemand oder etwas kommt genau auf mich zu. Es ist groß und selbst die Mücken verharren. Da es andere Menschen hier nicht gibt, bin ich mir sicher: es muss ein Bär sein. Die Frage ist nur noch welche Sorte, Braunbär oder Schwarzbär? Die eine Sorte sollte ich verjagen, bei der anderen mich totstellen. Für beides fühle ich mich gerade nicht optimal vorbereitet.
Mein Bärenspray ist immer greifbar am Hüftgurt des Rucksacks befestigt, der aber liegt hundert Meter entfernt am Weg. Die Plastikschaufel ist zwar etwas stabiler als die Version im Sandkasten deutscher Kindergärten, aber weit davon entfernt ein Bärenschreck zu sein. Und weglaufen wäre selbst dann eine schlechte Idee, wenn sich meine Hose an ihrem angestammten Platz befinden würde.
Schlagartig wird mir klar woher die englische Redewendung „Caught with your pants down“ stammt und das sie etwas ganz anderes bedeutet als das sprichwörtliche deutsche „die Hosen herunterlassen“. Manchmal ist Sprachunterricht sehr anschaulich. Mir will nur ein einziger Vorteil an meiner Lage einfallen: Niemand kann hinterher behaupten, ich hätte mir vor Angst in die Hosen gemacht!
Erstaunlich was ein Gehirn in wenigen Sekunden alles denken kann, denke ich noch. Derweil ist das Rascheln ganz nah. Ich hocke noch, die Schaufel in der linken Hand und die Papierrolle in der rechten, der Bär kommt direkt vor mir aus einem großen Busch hervor. Keine zwei Meter trennen mich von dem Tier, das ich jetzt erst sehen kann. Ein großes Geweih ist das erste was ich wahrnehme: Ein Hirsch! Und der ist wahrscheinlich selten in seinem Leben so erleichtert angelächelt worden. Er schaut mich an und ich verstehe auch ohne Worte was er mir mitteilen möchte: “Mach vorwärts, die Mücken zerstechen gerade deinen Hintern“.
sehr lustig…aber ich kann mir vorstellen dass es das nicht war bis zu dem Zeitpunkt als aus dem Bären ein Hirsch wurde…Hier an der Coté d`Azur sind die Mücken auch auf Beutezug. Ich sehe aus wie nach den Windpocken. Aber sonst gehts mir gut und Euch hoffentlich auch! LG Carmen
Wir haben beim Lesen des ‚Geschäftlichen‘ Tränen gelacht, lieber Ingmar. Du schreibst, nicht nur bei dieser Geschichte, sehr anschaulich.
CD