Neuseeland 1997
Vor lauter Bäumen gibt es hier keinen Zeltplatz, stundenlang schon steht Baum an Baum, so dicht, dass selbst unser winziges Zelt keinen Raum dazwischen findet. Endlich öffnet sich der Wald zu einer Lichtung, auf der sogar eine Ansammlung von Häusern steht, in der Mitte eine Kirche und – in unserer Lage noch wichtiger – ein Wirtshaus.
Überhaupt kein Problem sei es, hinter der Kirche unser Zelt aufzuschlagen wird uns im Wirtshaus beschieden und auch eine Kleinigkeit zum Essen wird in Aussicht gestellt. Leider keine Auswahl da heute die Weihnachtsfeier des Dorfes ausgerichtet wird, aber wir sind ja froh überhaupt noch etwas zu bekommen und keineswegs wählerisch.
Wie immer wird zuerst das Zelt errichtet. Danach erwarten uns im Wirtshaus nicht nur sämtliche Einwohner des Ortes, sondern auch zwei frisch bereitete Hamburger, wenn auch der Name nur sehr bedingt zutreffend ist. Ein deutscher Statiker hätte diese Gebilde bestenfalls für Gäste genehmigt, die einen Schutzhelm tragen, so hoch stapeln sich die Lagen zwischen den beiden Brothälften. Nachdem ich drei Spiegeleier identifiziert habe, höre ich auf zu zählen und beginne genüsslich zu essen.
Die insgesamt dreiundsechzig Einwohner unterhalten sich prächtig, jedoch erhalten auch wir regelmäßigen Besuch. Jan, der Busfahrer; Simon, der Farmer auf dessen Wiese wir zelten und Joanne, die Kindergärtnerin eröffnen den Reigen. Sie alle erzählen viel und gerne. Wir sind froh, dass unser Beitrag zur Konversation bereits ausreichend ist, wenn er nur aus einem grunzenden Kopfnicken zwischen dem Kampf mit dem Hamburgerturm und dem Schluck aus dem Bierglas besteht.
Kurz bevor es alle Dorfbewohner geschafft haben sich bei uns vorzustellen, wird es schlagartig still im Lokal, der Bürgermeister hebt an zu seiner Weihnachtsansprache. Wortgewandt lässt er Ernte, Schuljahr und alle anderen wichtigen Ereignisse des Jahres Revue passieren und bevor auch nur der Ansatz von Langeweile aufkommt beschließt er seinen Auftritt mit den Worten: „Ich wünsche Euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest, auch unseren beiden Besuchern, aus welchen Erdteil auch immer sie stammen mögen, in dem man einen Hamburger mit Messer und Gabel isst“.